Familien- und Erbrecht / von

Billigkeitsprüfung bei Versorgungsanrechten: Wer sein Anrecht aus privater Altersversorgungverschweigt, bekommt vom anderen auch nichts

Bei einer Ehescheidung werden alle Altersversorgungen mit dem jeweiligen Ehezeitanteil hälftig
geteilt. Um zu wissen, welche Versorgungsträger wegen eines solchen Auskunftsersuchens angeschrieben
werden müssen, füllen die Scheidungswilligen für das Gericht ein Formular (V10) aus, in dem sie jeweils
ihre Versorgungsträger angeben. Der folgende Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG)
zeigt auf, welche betrügerischen Möglichkeiten des „Vergessens“ von Angaben es gibt, um sich
entsprechende Vorteile zu verschaffen.

Eine Frau trieb es besonders arg: Erst verschwieg sie ein Anrecht im Formular, dann löste sie einen
Vertrag aus einer privaten Altersversorgung auf (was nur deshalb möglich war, weil der
Versorgungsträger keine Post vom Familiengericht erhalten hatte) und gab die etwa 15.000 € aus.
Schließlich beschwerte sie sich auch noch darüber, dass sie von der Betriebsrente des Manns noch nichts
bekommen habe, weil der Mann noch nicht lange genug bei diesem Arbeitgeber gearbeitet hatte. Sie
würde im Rentenalter hiervon nochmal einen „schuldrechtlichen“ Ausgleich zugesprochen bekommen,
weil man dann erst errechnen kann, wie hoch der Ehezeitanteil war.

In dem Gerichtsverfahren fiel dann aber die Sache mit dem verschwiegenen und aufgelösten Anrecht
auf – das OLG traf eine sogenannte Billigkeitsentscheidung nach § 27 Versorgungsausgleichsgesetz. Eine
grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter
den besonderen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls dem Grundgedanken der gesetzlichen
Halbteilung in unerträglicher Weise widerspricht. Weil die Frau ihren Altersvorsorgevertrag verschwiegen
und aufgelöst hatte, wurde ihr im Gegenzug die Teilhabe an der Betriebsrente des Manns im Alter
endgültig verwehrt (OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.06.2023 – 9 UF 166/22).


Unser Praxishinweis: Diese Rechtsprechung ist nicht ohne weiteres auf den Fall übertragbar, in dem jemand nach
Trennung, aber vor dem Scheidungsverfahren ein privates Altersvorsorgevermögen auflöst und ausgibt.
Kann er nachweisen, dass er das Geld für neue Möbel, Anwaltskosten oder ähnlichen trennungsbedingten
Mehrbedarf benötigte, bekommt der andere Ehegatte keinen Ausgleich und keine
„Billigkeitsentscheidung“.